Bericht 
mehrschichtiger Kunstdialog im Schloss Bevern eröffnet
Kunstkreis Holzminden eröffnet Jahresausstellung "Dialog"
  
30.10.2016
D 37639 Bevern
Ausstellung

Der Kunstkreis Holzminden eröffnete sein Jahresausstellung im Schloss Bevern unter dem Titel "Dialog".

Der Vorsitzende des Vereins, Thomas Tigges konnte sich bei seiner Rede über einen überquellenden Saal freuen.

Manuskript seiner Rede (Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr verehrte Damen und Herren

Dies ist die 42. Jahresausstellung des Kunstkreises Holzminden. Sie findet seit über einem viertel Jhdt. Im Weserrenaissance Schloss Bevern statt. Wir fühlen uns hier zu Hause. Und ein zu Hause zu haben ist wichtig. Sehr wichtig sogar. 2015 und 2016 waren oder sind Jahre in denen viele Menschen zu uns kamen die ihr zu Hause aufgeben mussten. Das vergisst man leicht wenn man wie wir gegen Ende des Jahres wie immer an dieser Ausstellung arbeitet.
Die Jahresausstellung in diesen Räumen ist eine Art Tradition, gehört fest in den Kulturkalender dieser Region. Für diejenigen die sich für Kunst interessieren ist sie eine regelmäßige Möglichkeit sich über das Treiben der Künstler hier zu informieren, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen neue Arbeiten zu sehen.
Diese Tradition wollen und werden wir fortsetzen. Aber bei aller Tradition wird bei uns immer auch Wille zur Veränderung sichtbar sein. Da sind Künstler, die verändern ihre Arbeitsweise plötzlich, experimentieren, kämpfen um Ausdrucksmittel und erfinden sich stets neu.
Ein typisches Beispiel für Veränderung sind die Arbeiten von Michael G. Müller. Seiner neuer Zyklus Jäger und Sammler zeigt Portraits hinter Bienenwaben. Die Waben geben dem Betrachter den Blick auf den Portraitierten mal frei, an anderen Stellen blockieren sie ihn. Ein gekonntes Spiel und Widerspiel mit Blicken und Blickkontakt mit Verbergen und Preisgeben.
Traditionell bietet der Kunstkreis seit jeher unterschiedlichsten Künstlern eine Heimstätte. Wir haben rein abstrakte prozesshaft arbeitende Künstlerinnen, wie Ilse Overmann die sich intensiv mit ihrer künstlerischen Technik auseinandersetzt und deren Werken man auch die körperliche Anstrengung ansehen kann.
Holzbildhauer wie Ludwig Krückeberg mit der speziell für seine Ausdrucksform entwickelten Technik des fragmentarischen Zusammensetzens Unverkennbares gestaltet.

Auf die Geschehnisse unserer nun wahrhaftig nicht ruhigen Zeit reagieren unserer Künstler ganz unterschiedlich. Auch das ist bei uns Tradition. Auf die Schrecken des Krieges und der Vertreibung hin zeigte Wiltrud Krämer letztes Jahr den Zyklus Gebet für Kriegskinder. Rein abstrakte Formensprache aus Rhythmus, Verdichtung, Entzerrung und Farbe erschien mir das wie ein grafischer Ablöseprozess mentaler Vorgänge. Tief bewegtes Arbeiten aus dem Innersten heraus aber mit der für sie typischen Verweigerung der oberflächlichen Lesbarkeit.
Das gleiche Thema spricht dieses Jahr Susanne Otte auf ganz andere Art an. Mit Collagen aus Zeitungsmaterial fordert sie direkt zum Lesen ihrer Aussagen an. Sie will Lesbarkeit, sie schreit auf, ob der grausamen Dinge die da vor sich gehen.
Auch dieses respektvolle Nebeneinander ist ein Teil unserer Tradition. Und zur Tradition gehört es auch dieses Jahr noch einmal eine Arbeit von P.C. Otte zu zeigen der dieses Jahr viel zu früh verstarb. Er war das Gedächtnis dieses Vereins, sein Chronist und seine aktive Mitarbeit vermissen wir schmerzlich.
Noch eine Tradition ist uns wichtig. Die Kontaktpflege zu ändern Künstlervereinigungen. Diese Tradition haben wir vor 2 Jahren wieder aufgenommen und hier Künstler aus dem Künstlerhaus Troisdorf vorgestellt. Dieses Jahr haben wir Künstler vom BBK Rhein-Sieg zu Gast, die ich ihnen kurz vorstellen möchte.

Ursula Adrian-Rieß

Direkt hinter mir sehen sie drei großformatige Arbeiten der Künstlerin Ursula Adrian-Riess. Spontane schnelle und bewegte Malerei mit einem sehr harmonischen Farbklang.
Die Künstlerin schreibt: Ich entdecke die Welt in der Malerei, ich setze Kräfte frei um sie wieder zu bündeln.
Sinngemäß fügt sie hinzu: Das Bild soll zu einem eigenständigen sein gelangen in diesem Fall dem Spiel zwischen Figuration und Abstraktion.

Ricarda Rommerscheidt

Ricarda Rommerscheidt stellt die Figur in das Zentrum ihres Schaffens. Die Figur beherrscht sie mit absoluter Sicherheit egal in welcher Pose oder Bewegung. Bei der hier gezeigten Arbeit fällt ein starker Kontrast auf, dabei ist Positionierung der Figur im Bildraum fühlen wir etwas Irreales in der Situation. So spannend kann figürliche Malerei sein.
Michaela Winter
Michaela Winter hat erst vor wenigen Jahren ein Kunststudium im Bereich der Druckgrafik abgeschlossen und vorher wie sie schreibe eine fast normale Kariere als Juristin hingelegt. Der Kunstkreis Holzminden ist seit 30 Jahren der Ausrichter der Niedersächsischen Grafiktriennale.
Jede 2. Triennale widmet sich ausschließlich der Druckgrafik. Ich selbst hatte auch den Schwerpunkt Druckgrafik in meinem Studium und war mit einigen ebenfalls in diesem Bereich tätigen Kollegen verwundert wie gekonnt Michaela Winter mit der schwierigen Technik Radierung umgeht.
Radierung kommt meist bescheiden, nicht schreiend daher. Bitte schenken sie den Arbeiten Michaela Winters besondere Aufmerksamkeit. Das lohnt sich.

Er-ich.Es

Er-ich.Es ist mit 4 nichtfarbigen Glasobjekten vertreten. Das bedeutet für mich
ein Herantasten an eine ungewohnte Art zu arbeiten diese Art bleibt mir
ungewohnt und das ist gut so. Denn Er-ich.Es will Gewohnheiten in Frage stellen.
In einem schwierigen Prozess erstellt er seine Glasobjekte aus an den Kanten sauber bearbeiteten Scherben. (Beschreiben)
Wenn wir uns mit Glas in der Hand bewegen werden wir langsam und vorsichtig. Die Glasobjekte von Er-ich. Es erscheinen sehr bewegt und dynamisch, dennoch frieren die Glasfragmente diese Dynamik gleichzeitig in kristalline Starre ein.
Die Arbeit Scharfes Ei hingegen zeigt ein Ei aus Glas das sich wehrt, ein Ei das nicht verletzlich ist wie das besagte „Rohe" sondern eher darauf zu lauern scheint verletzen zu dürfen. ...ich empfehle Ihnen ein wenig auf die Lichtbrechungen zu achten. Traumhaft.

Rainer Lehmann

Rainer Lehmanns Spektrum können wir hier leider nicht gerecht werden. Gern würden wir Ihnen seine Lichtobjekte sein Wandteppiche und und und Seigen. Und manchmal passieren uns/mir auch Fehler in der Auswahl. Wir hätten seine einzigartigen Holzskulpturen unbedingt vor oder zu mindestens in Zusammenhang mit seinen Grafiken zeigen sollen - Mea Culpa
Dennoch auch in dieser Präsentation sind diese Arbeiten von besonderem Reiz. Auch Rainer Lehmann baut seine Skulpturen aus Einzelelementen auf.
Rainer Lehmann kommt von der Physik zur Kunst. Seine Einzelelemente sind formal streng definiert, reduziert. Für mich und das ist meine persönliche Einschätzung, beschreibt er seine Kunstobjekte aus dem binären Denkmodel heraus. Rainer Lehmann erstellt die simple Form eines Kubus aus den Kanten abgerundeter Bauelemente. Nicht vorhanden Form und abgerundete Formelemente erzeugen optisch einen glattwandigen Quader. Ähnlich der Sprache eines digitalen Fräsprogrammes.
In diesem binären Denkmodell bewegen wir uns derzeit alle. Sobald wir einen Rechner einschalten sind wir mitten drin, wenn sie heute Abend die Tagesschau ansehen sind sie es auch.
Rainer Lehmann arbeitet mit Holz, Stoff, Licht. Er verweist uns meiner Meinung nach vom rein Binären auf die Kohlenstoffebene zurück.

Sabina Flora

Neulich kam ein Paket bei mir an und dazu eine Mail. Das Paket habe ich in mein Atelier getragen. Abends habe ich es geöffnet. Da ich wusste das Sabina Floras arbeiten recht sensibel sind habe ich erst mal meine beiden Kater, die sich gern in meinem Atelier tummeln unterwürfig hinaus gebeten, obwohl die eigentlich nie etwas kaputt machen. Sicher ist sicher.
Dann beförderte ich aus dem Paket die Leporellos von Sabina Flora und wurde nach und nach ganz andächtig. Jedes eingelegt in weiches Papier. Beim Aufklappen Papiere und Materialien unterschiedlichster Strukturen. Sensible Zeichnungen, menschliche Figuren und wunderschönes aus dem Querbeet der „Schöpfung".
Wenn Sie heute im „Innersten" offen sind, dann berühren SIE diese Arbeiten garantiert.
Dann sind sie im Moment mittendrin in Dem, was Wahrnehmen und Empfinden ausmacht. Wenn diese Ausstellung sie zu mindestens in die Nähe eines solchen Gedankens gebracht hat, dann haben wir etwas erreicht. Unser Tun ist bei Ihnen angekommen.
Unsere Tradition auch!